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22.03.2016

Zweiter Dekanatskreuzweg: Scheitern als das letzte Tabu

An das von Leo Großhauser getragene Kreuz hefteten die Teilnehmer zahlreiche Symbole, die das Leiden Jesu und der Menschen verdeutlichten.

Zwischen Wohnort und Kreuz – der Kreuzweg ließ die Teilnehmer sowohl an irdisches Leid wie das des Gottessohnes denken.

Diese Scherben waren vor wenigen Sekunden noch ein Blumentopf. Doch aus ihnen kann etwas Neues werden, so Dekanatsreferent Andreas Weiß (im Vordergrund). Hinter ihm Kreuzträger Leo Großhauser und die beiden Pfarrer Tomasz Swat und Ulrich Tauber.

HAINSFARTH (ley) – Das rüttelte auf: Mitten in die besinnliche Stimmung krachte ein Blumentopf mit lautem Getöse vor der Hainsfarther Andreaskirche zu Boden und zerbarst - als Symbol für das Scheitern im Leben. Der zweite Dekanatskreuzweg des katholischen Dekanats Weißenburg-Wemding machte keinen Bogen um die manchmal unerträgliche Schwere des Daseins.

Es waren knapp 100 Teilnehmer, die sich an sieben Stationen bewusst mit den Leiden Christi auseinandersetzten und sich in ihnen die Schmerzen der Menschen spiegeln ließen. Bei der Premiere in Heidenheim im vergangenen Jahr war die Schar deutlich kleiner. In unsicheren Zeiten scheint auch auf regionaler Ebene die Bereitschaft zu wachsen, sich mit zentralen Lebensfragen jenseits des Spaßfaktors zu beschäftigen. Wie schwer das sein kann, verdeutlichte Dekan Konrad Bayerle anhand eines Bildes, das ein in der Luft querliegendes Kreuz zeigt, auf dem ein Mensch balanciert. Doch der Seelsorger versicherte: „Mit dem Ostermorgen wissen wir: Es gibt keinen Sturz ins Bodenlose: Wir können nie tiefer fallen, als in Gottes Hand. Der Tod hat nicht das letzte Wort.“ Auch wenn dies in der dunkelsten Zeit deutscher Geschichte so schien. Das von Leo Großhauser getragene Kreuz vor Augen ging es von der Kirche zur Synagoge des Ortes. Das Leiden des Holocaust-Opfer war unermesslich und noch heute werden Menschen „gefoltert und getötet, weil sie nicht so sind, wie die anderen“, hieß es an dieser Station. Auch die nächste rief das Leiden in Erinnerung: Not, Krieg, Armut, Krankheit und Behinderung. Aber: „Tränen allein genügen nicht - lass uns erkennen, wo und wie wir etwas tun können, um die Welt besser und gerechter zu machen“, so das Gebet. Wie zynisch die Mächtigen mit dem Lastenschleppen anderer umgehen, wurde beim nächsten Halt deutlich. Als Napoleon persönlich einem schwer tragenden Mann begegnete, wich er aus und rief: „Respekt vor der Last!” Statt zu helfen, wie es die Nächstenliebe eigentlich geboten hätte. Vielleicht hilft es, Leid mal selbst nach zu empfinden. Und sich selbst mal bei kühlen Temperaturen des Mantels zu entledigen, wozu beim Kreuzweg der evangelische Pfarrer Ulrich Tauber und sein katholischer Amtskollege Tomasz Swat ermunterten. Bevor sie aufforderten, nun das Textil als „Kleid der Liebe Jesu wieder anzuziehen.“ Beim Kindergarten „Löwenzahn“ angekommen machte ein Mädchen Mut, dass daran erinnerte, dass sich diese Pflanze den Weg durch den Teer zu bahnen vermag: „So wollen auch wir Wege finden, füreinander da zu sein.“ Doch die bohrende Sinnfrage stellt sich immer wieder: bei Arbeitslosigkeit oder aus der Lebensbahn werfenden Unfällen. Dann ist man raus aus der „beschleunigten Gewinnerkultur“, so Dekanatsreferet Andreas Weiß, nachdem er den Blumentopf zu Bruch gehen ließ. „Wer postet schon den Verlust der Arbeitsstelle? Das Scheitern ist das letzte Tabu unserer Gesellschaft!“ Fragmente ließen sich nicht mehr in ein altes Muster zusammenfügen. Es könne aber auch Neues entstehen. Ein Mosaik, dass die Scherben des Lebens zu einem neuen und strahlendem Bild werden lasse. Denn „Dein Tod am Kreuz und Deine Auferstehung zeigen uns, dass die dunkle Nacht nicht das letzte Wort hat.“

Text und Fotos: Jürgen Leykamm

Mit freundlicher Genehmigung des Autors